In diesem NZZ-Artikel wird mit einer alten Mär aufgeräumt und es finden sich noch 9 weitere interessante wissenschaftliche Erkenntnisse darin. Hier ein Auszug:

Warum gibt es nur wenige Menschen, die mathematisch und sprachlich begabt sind?

„Viele kennen wohl noch aus der Schulzeit den naturwissenschaftlich begabten Mitschüler, dessen Mathematik-Hausaufgaben sich zwar exzellent zum Abschreiben eigneten – der sich aber sonst keiner besonderen Beliebtheit erfreute, weil er sich kaum auszudrücken vermochte. Andererseits gibt es eloquente Geisteswissenschafter wie Sand am Meer, die freimütig zugeben, regelrechte Mathematik-Nieten in der Schule gewesen zu sein.

Wie kommt es, dass diese Begabungen selten gemeinsam auftreten? «Diese Hypothese ist so nicht richtig», sagt Esther Ziegler, Lernpsychologin. «Es ist eher so, dass bei Menschen die mathematischen und naturwissenschaftlichen Begabungen mit den sprachlichen Fähigkeiten korrelieren.» Das bedeutet: Wer sehr begabt ist in Mathematik, der ist meistens auch nicht schlecht im sprachlichen Bereich, und umgekehrt. Denn die Grundlage für beides ist eine gewisse Grundintelligenz, die kognitive Leistungsfähigkeit.

«Eher selten kommt es vor, dass jemand eine ausgewiesene Leistungsstärke in dem einen und eine Schwäche im anderen Bereich hat. Das kann sein, wenn Lernstörungen vorliegen wie Dyskalkulie oder Legasthenie», sagt Ziegler. Häufig sei es so, dass das Umfeld und die Art der frühen Begegnung mit bestimmten Lerngebieten ausformten, wie sehr sich ein Kind für etwas interessiere und es damit auch mehr trainiere. Eine Voraussetzung für die Entwicklung einer sprachlichen Begabung sei flüssiges Lesen – viele Kinder, auch intelligente und sprachbegabte, finden heute teilweise keinen Zugang mehr dazu.

Auch in der Mathematik müssen Kinder gerade am Anfang viel Basiswissen erwerben, um mitzukommen. Wenn hier der Einstieg schlecht gelingt, kann es zu Frust und Blockaden kommen – in der Folge entwickeln viele Menschen eine lebenslange Abneigung gegen die Mathematik und halten sich für weniger begabt, als sie es eigentlich sein könnten.“

Quelle: NZZ Online